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Wintergedichte klassischer Autoren

Schöne Wintergedichte mehr oder weniger bekannter Klassiker

Klassische Lyrik zur Winterzeit

Winterlandschaft
Bild: Peggychoucair / pixabay.com

Wintergedichte klassischer Autoren - von A - Z

Am Kamin
Adolf Friedrich von Schack

An den Winter
Elisabeth Kulmann

Baum im Winter
Alfons Petzold

Da wechseln um die alten Inselränder
Rainer Maria Rilke

Dämmerstunde
Albert Sergel

Das Dorf im Schnee
Klaus Groth

Das erste Weiß
Johann Nepomuk Vogl

Das Wunder kommt
Otto Julius Bierbaum

Der Abend kommt von weit gegangen
Rainer Maria Rilke

Der blaue Schnee
Georg Heym

Der Eislauf
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Der erste Schnee
Johannes Brassel

Der erste Schnee
Friedrich Güll

Der erste Schnee
Adolf Holst

Der erste Schnee
Julie Katharina von Hausmann

Der Schneefall
Franz Werfel

Der Schneemann auf der Straße
Robert Reinick

Der Seufzer
Christian Morgenstern

Der stürmische Morgen
Wilhelm Müller

Der Vögel Abschied
Joseph von Eichendorff

Der Winter
Matthias Claudius

Der Winter
Friedrich Hölderlin

Dezembermorgen
Wilhelm Holzamer

Die drei Spatzen
Christian Morgenstern

Die hohen Tannen atmen heiser
Rainer Maria Rilke

Die Wintersonne an die Südländer
Elisabeth Kulmann

Ein großer Teich war zugefroren
Johann Wolfgang von Goethe

Ein Lied hinterm Ofen zu singen
Matthias Claudius

Ein milder Wintertag
Annette von Droste-Hülshoff

Ein winterliches Gedicht
Alexander Puschkin

Eines Morgens Schnee
Konrad Weiß

Eisnacht
Clara Müller-Jahnke

Erster Schnee
Börries Freiherr von Münchhausen

Es schneit
Gustav Falke

Farben
Selma Meerbaum-Eisinger

Februar
Konrad Weiß

Februarschnee
Cäsar Flaischlen

Flugzeug am Winterhimmel
Joachim Ringelnatz

Frost
Clara Müller-Jahnke

Gang im Schnee
Ernst Stadler

Ganz still zuweilen wie ein Traum
Cäsar Flaischlen

Gestern
Alexander Puschkin

Heller Morgen
Börries Freiherr von Münchhausen 

Hoffnung
Emanuel Geibel

Ich komme aus der Ewigkeit
Hans Thoma

Im Schnee
Frieda Jung

Im Schnee
Sigmund Schott

Im Winter
Justinus Kerner

Im Winter
Betti Paoli

Im Wintergarten
Adolf Holst

In der Winternacht
Friedrich Wilhelm Weber

Jahres-Ende
Maria Luise Weissmann

Katze im Schnee
Johann Wilhelm Hey

Morgensonne im Winter
Christian Morgenstern

Nein wer hätte das gedacht
Adolf Holst

Neuschnee
Christian Morgenstern

November
Reinhold Fuchs

November
Richard O. Koppin

Nun treiben wir den Winter aus
Guido Görres

Raureif
Frieda Jung

Schnee
Francisca Stoecklin

Schnee
Maria Luise Weissmann

Schneeglöckchen
Friedrich Rückert

Schneemann (Satire)
Heinrich Federer

Sehnsucht nach dem Frühling
A. H. Hoffmann von Fallersleben

Spät im Jahr
Hedwig Lachmann

Stille Winterstraße
Joachim Ringelnatz

Unterm Schnee
Maria Janitschek

Vom Büblein auf dem Eis
Friedrich Wilhelm Güll

Vom Kirschbaum
Ferdinand Avenarius

Winter
Gustav Falke

Winter
Arno Holz

Winter
Hedwig Lachmann

Winter
Johannes Schlaf

Winterabend
Richard O. Koppin

Winteranfang
Martin Greif

Winteranfang
Wilhelm Jensen

Winterbild
Johannes Brassel

Winterbild
Martin Greif

Winterbild
Hedwig Lachmann

Winterfrühling
Leopold Weber

Wintergedanken (Sonett)
Johannes Brassel

Wintergedanken
Franz Grillparzer

Wintergrüne Fichte
Friedrich Rückert

Winterlandschaft
Christian Friedrich Hebbel

Winterlied
Johann Gaudenz von Salis-Seewis

Winterlied
Joseph von Eichendorff

Winterlied der Meise
Martin Greif

Winterlust
Robert Reinick

Wintermärchen
Frieda Jung

Wintermorgen
Johann Ludwig Uhland

Wintermorgen im Hochgebirge
Otto Baisch

Winternacht
A.H. Hoffmann von Fallersleben

Winternacht
Reinhold Fuchs

Winternacht
Nikolaus Lenau

Winterschlaf
Klabund

Winterstille
Johannes Trojan

Winters Flucht
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

Wintertag
Conrad Ferdinand Meyer

Wintertraum
Betty Paoli

Wintertrost
Martin Greif

Zu Golde ward die Welt
Christian Morgenstern 

 

Hier findet hier neuzeitliche Wintergedichte in klassischer Form! 

Arno Holz (1863-1929)
Winter

Du lieber Frühling! Wohin bist du gegangen?
Noch schlägt mein Herz, was deine Vögel sangen.
Die ganze Welt war wie ein Blumenstrauß,
längst ist das aus!
Die ganze Welt ist jetzt, o weh,
Barfüßle im Schnee.
Die schwarzen Bäume stehn und frieren,
im Ofen die Bratäpfel musizieren,
das Dach hängt voll Eis.
Und doch: bald kehrst du wieder, ich weiß, ich weiß!
Bald kehrst du wieder,
o nur ein Weilchen,
und blaue Lieder
duften die Veilchen!

Robert Reinick (1805-1852)
Winterlust

Wohin man schaut, nur Schnee und Eis,
Der Himmel grau, die Erde weiß;
Hei, wie der Wind so lustig pfeift,
Hei, wie er in die Backen kneift,
Doch meint er´s mit den Leuten gut,
Erfrischt und stärkt, macht frohen Mut.
Ihr Stubenhocker, schämet euch,
Kommt nur heraus, tut es uns gleich.
Bei Wind und Schnee auf glatter Bahn,
Da hebt erst recht der Jubel an!

*Quelle: Gedichte für einen Wintertag dtv Hrsg. Gudrun Bull


Rainer Maria Rilke 1875 - 1926
(Da wechselt um die alten Inselränder)

Da wechselt um die alten Inselränder
das winterliche Meer sein Farbenspiel
und tief im Winde liegen irgend Länder
und sind wie nichts. Ein Jenseits, ein Profil;

nicht wirklicher als diese rasche Wolke,
der sich das Eiland schwarz entgegenstemmt.
Und da geht einer unterm Insel-Volke
und schaut in Augen und ist nichts als fremd.

Und schaut, so fremd er ist, hinaus, hinüber,
den Sturm hinein; zwar manchen Tag ist Ruh;
dann blüht das Land und lächelt noch. Worüber?
Und die Orangen reifen noch. Wozu?

Was müht der Garten sich ihn zu erheitern
den Fremden, der nichts zu erwarten schien,
und wenn sich seine Augen auch erweitern
für einen Augenblick —: er sieht nicht ihn.

Wenn er vom Vorgebirge in Gedanken
des Meeres winterliches Farbenspiel
und in den Himmeln ferner Küsten Schwanken
manchmal zu sehen glaubt: das ist schon viel.
 

Rainer Maria Rilke 1875 - 1926
Die hohen Tannen atmen heiser

Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.
Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.

Da singt die Uhr, die Kinder zittern:
Im grünen Ofen kracht ein Scheit
und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flockenflittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.

 

Rainer Maria Rilke 1875-1926
Der Abend kommt von weit gegangen

Der Abend kommt von weit gegangen
durch den verschneiten, leisen Tann.
Dann presst er seine Winterwangen
an alle Fenster lauschend an.

Und stille wird ein jedes Haus;
die Alten in den Sesseln sinnen,
die Mütter sind wie Königinnen,
die Kinder wollen nicht beginnen
mit ihrem Spiel. Die Mägde spinnen
nicht mehr. Der Abend horcht nach innen,
und innen horchen sie hinaus.


Ernst Stadler (1883-1914)
Gang im Schnee

Nun rieseln weiße Flocken unsre Schritte ein. 
Der Weidenstrich läßt fröstelnd letzte Farben sinken, 
Das Dunkel steigt vom Fluß, um den versprengte Lichter blinken, 
Mit Schnee und bleicher Stille weht die Nacht herein.

Nun ist in samtnen Teppichen das Land verhüllt, 
Und unsre Worte tasten auf und schwanken nieder 
Wie junge Vögel mit verängstetem Gefieder – 
Die Ebene ist grenzenlos mit Dämmerung gefüllt.

Um graue Wolkenbündel blüht ein schwacher Schein, 
Er leuchtet unserm Pfad in nachtverhängte Weite, 
Dein Schritt ist wie ein fremder Traum an meiner Seite – 
Nun rieseln weiße Flocken unsre Sehnsucht ein.

Winterlandschaft mit Fußgängerin
Foto: pixabay.com

Betty Paoli (1814-1894)
Im Winter

Wiesengrund und Bergeshöh'
Liegen wie begraben,
Auf dem schimmernd weißen Schnee
Tummeln sich die Raben.

Mag die Sonne auch ihr Licht
Fernehin entsenden,
Es erquickt und wärmet nicht,
Kann nur schmerzlich blenden.

Dicht vor meinem Fenster steht
Eine schlanke Linde,
Mit Demanten übersä't
Stöhnet sie im Winde.

An die Scheiben pocht sie leis',
Leis' wie Glöckchen läuten;
Was sie sagen will, ich weiß
Mir es wohl zu deuten.

Arme Linde! Tag und Nacht
Scheinst du mir zu klagen:
»Dürft ich doch, statt todter Pracht,
Wieder Blüthen tragen!«

Quelle: http://www.wortblume.de/dichterinnen/

Georg Heym (1887-1912)
Der blaue Schnee

Der blaue Schnee liegt auf dem ebenen Land, 
das Winter dehnt. Und die Wegweiser zeigen 
einander mit der ausgestreckten Hand 
der Horizonte violettes Schweigen.

Hier treffen sich auf ihrem Weg ins Leere 
vier Straßen an. Die niedren Bäume stehen 
wie Bettler kahl. Das Rot der Vogelbeere 
glänzt wie ihr Auge trübe. Die Chausseen

verweilen kurz und sprechen aus den Ästen.
Dann ziehn sie weiter in die Einsamkeit 
gen Nord und Süden und nach Ost und Westen, 
wo bleicht der niedere Tag der Winterzeit.

Ein hoher Korb mit rissigem Geflecht 
blieb von der Ernte noch im Ackerfeld. 
Weißbärtig, ein Soldat, der nach Gefecht 
und heißem Tag der Toten Wache hält.

Der Schnee wird bleicher, und der Tag vergeht. 
Der Sonne Atem dampft am Firmament, 
davon das Eis, das in den Lachen steht 
hinab die Straße rot wie Feuer brennt.


Gustav Falke (1853-1916)
Winter

Ein weißes Feld, ein stilles Feld.
Aus veilchenblauer Wolkenwand
hob hinten, fern am Horizont,
sich sacht des Mondes roter Rand.

Und hob sich ganz heraus und stand
bald eine runde Scheibe da,
In düstrer Glut. Und durch das Feld
klang einer Krähe heisres Krah.

Gespenstisch durch die Winternacht
der große dunkle Vogel glitt,
und unten huschte durch den Schnee
sein schwarzer Schatten lautlos mit.

Christian Morgenstern (1871-1914)
Die drei Spatzen

In einem leeren Haselstrauch, 
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz 
und mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu, 
und obendrüber, da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht, ganz dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.

Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch. 
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.


Winterlandschaft Baum im Schnee
Bild: hansbenn / pixabay.com

Maria Janitschek (1859-1927)
Unterm Schnee

Halt ich sacht auf weißem Felde,
Märchen sinnend, stillerlauschten,
Ist`s , als ob zu meinen Häupten
Nahe Flügelschläge rauschten.

Ist es mir, als ob der Schneewind
Warme Blumendüfte brächte.
Blumenduft von tausend Beeten,
Aus der Glutpracht fremder Nächte.

Behend eil`ich in den Garten,
Wo die Bäume silbern stehn,
Um in zitterndem Erwarten
Nach den Zweigen aufzuseh`n.

Streif den Schnee von ihnen zärtlich
Der sie in sein Weiß versteckt,
Und erblick, o lieblich Wunder,
Junge Äuglein, schlafbedeckt.

Frühling! Nach des Sommers Abschied
Nahst du schon mit leisen Küssen,
Und es gibt gar keinen Winter,
Und kein kaltes Sterbenmüssen.

Streift den Schnee nun von den Dingen,
Drunter grünen neue Triebe,
Und ihr spürt des Lebens Jugend
Und die Urkraft seiner Liebe.

Emanuel Geibel (1815-1884)
Hoffnung

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muss doch Frühling werden.

Und drängen die Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht
Kommt doch der Lenz gegangen.

Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf
Und möchte vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren
Und lässt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren.

Drum still! Und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden;
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden,
Nur unverzagt auf Gott vertraut!
Es muss doch Frühling werden.


Clara Müller-Jahnke (1860-1905)
Eisnacht

Wie in Seide ein Königskind
schläft die Erde in lauter Schnee,
blauer Mondscheinzauber spinnt
schimmernd über der See.

Aus den Wassern der Raureif steigt,
Büsche und Bäume atmen kaum:
durch die Nacht, die erschauernd schweigt,
schreitet ein glitzernder Traum.

Elisabeth Kulmann (1808-1825)
An den Winter

Willkommen, lieber Winter,
Willkommen hier zu Land!
Wie reich du bist, mit Perlen
Spielst du, als wär' es Sand!

Den Hof, des Gartens Wege
Hast du damit bestreut;
Sie an der Bäume Zweige
Zu Tausenden gereiht.

Dein Odem, lieber Winter,
Ist kälter, doch gesund;
Den Sturm nur halt' im Zaume,
Sonst macht er es zu bunt!

Quelle: http://wortblume.de/dichterinnen/


Matthias Claudius (1740-1815)
Ein Lied hinterm Ofen zu singen

Der Winter ist ein rechter Mann,
Kernfest und auf die Dauer;
Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an,
Und scheut nicht süß noch sauer.

War je ein Mann gesund wie er?
Er krankt und kränkelt nimmer,
Er trotzt der Kälte wie ein Bär
und schläft im kalten Zimmer.

Er zieht sein Hemd im freien an
und läßt's vorher nicht wärmen
und spottet über Fluss im Zahn
und Grimmen in Gedärmen.

Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
Haßt warmen Drang und warmen Klang
und alle warmen Sachen.

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn's Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;

Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich und Zehen krachen:
Das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
dann will er tot sich lachen.-

Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
Beim Nordpol an dem Strande;
Doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.

Da ist er denn bald dort, bald hier;
gut Regiment zu führen;
und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren

Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Winterlied

Das Feld ist weiß, so blank und rein,
Vergoldet von der Sonne Schein,
Die blaue Luft ist stille;
Hell, wie Kristall
Blinkt überall
Der Fluren Silberhülle.

Der Lichtstrahl spaltet sich im Eis,
Er fimmert blau und rot und weiss,
Und wechselt seine Farbe.
Aus Schnee heraus
Ragt, nackt und kraus,
Des Dorngebüsches Garbe.

Von Reifenduft befiedert sind
Die Zweige rings, die sanfte Wind´
Im Sonnenstrahl bewegen.
Dort stäubt vom Baum
Der Flocken Pflaum
Wie leichter Blütenregen.

Tief sinkt der braune Tannenast
Und drohet, mit des Schnees Last
Den Wandrer zu beschütten;
Vom Frost der Nacht
Gehärtet, kracht
Der Weg, von seinen Tritten.

Das Bächlein schleicht, von Eis geengt;
Voll lautrer blauer Zacken hängt
Das Dach; es stockt die Quelle;
Im Sturze harrt,
Zu Glas erstarrt,
Des Wasserfalles Welle.

Die blaue Meise piepet laut;
Der muntre Sperling pickt vertraut
Die Körner vor der Scheune.
Der Zeisig hüpft
Vergnügt und schlüpft
Durch blätterlose Haine.

Wohlan! auf festgediegner Bahn,
Klimm ich den Hügel schnell hinan,
Und blicke froh ins Weite;
Und preise den,
Der rings so schön
Die Silberflocken streute.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Sehnsucht nach dem Frühling

O wie ist es kalt geworden
und so traurig, öd' und leer!
Rauhe Winde wehn von Norden,
und die Sonne scheint nicht mehr.

Auf die Berge möcht' ich fliegen,
möchte sehn ein grünes Tal,
möcht' in Gras und Blumen liegen
und mich freun am Sonnenstrahl.

Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang,
möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang.

Schöner Frühling, komm doch wieder,
lieber Frühling, komm doch bald,
bring uns Blumen, Laub und Lieder,
schmücke wieder Feld und Wald!

Christian Friedrich Hebbel (1813 - 1863)

Winterlandschaft

Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.

Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.

Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
wirft einen letzten Blick auf's öde Land,
doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.

Matthias Claudius (1740 - 1815)
Der Winter

Der Winter ist ein rechter Mann,
kernfest und auf die Dauer;
sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an
und scheut nicht süß noch sauer.

War je ein Mann gesund, ist er's;
er krankt und kränkelt nimmer,
weiß nichts von Nachtschweiß noch Vapeurs
und schläft im kalten Zimmer.

Er zieht sein Hemd im Freien an
und läßt's vorher nicht wärmen
und spottet über Fluß im Zahn
und Kolik in Gedärmen.

Aus Blumen und aus Vogelsang
weiß er sich nichts zu machen,
haßt warmen Drang und warmen Klang
und alle warmen Sachen.

Doch wenn die Füchse bellen sehr,
wenn's Holz im Ofen knittert,
und um den Ofen Knecht und Herr
die Hände reibt und zittert;

wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht
und Teich' und Seen krachen;
das klingt ihm gut, das haßt er nicht,
dann will er sich tot lachen.

Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus
beim Nordpol an dem Strande;
doch hat er auch ein Sommerhaus
im lieben Schweizerlande.

So ist' er denn bald dort, bald hier,
gut Regiment zu führen.
Und wenn er durchzieht, stehen wir
und sehn ihn an und frieren.

Annette von Droste-Hülshoff (1797 - 1848)
Ein milder Wintertag

An jenes Waldes Enden,
Wo still der Weiher liegt
Und längs den Fichtenwänden
Sich lind Gemurmel wiegt;

Wo in der Sonnenhelle,
So matt und kalt sie ist,
Doch immerfort die Welle
Das Ufer flimmernd küßt:

Da weiß ich, schön zum Malen,
Noch eine schmale Schlucht,
Wo all die kleinen Strahlen
Sich fangen in der Bucht;

Ein trocken, windstill Eckchen,
Und so an Grüne reich,
Daß auf dem ganzen Fleckchen
Mich kränkt kein dürrer Zweig.

Will ich den Mantel dichte
Nun legen übers Moos,
Mich lehnen an die Fichte,
Und dann auf meinen Schoß

Gezweig' und Kräuter breiten,
So gut ich's finden mag:
Wer will mir's übel deuten,
Spiel ich den Sommertag?

Will nicht die Grille hallen,
So säuselt doch das Ried;
Sind stumm die Nachtigallen,
So sing' ich selbst ein Lied.

Und hat Natur zum Feste
Nur wenig dargebracht:
Die Lust ist stets die beste,
Die man sich selber macht.

Klaus Groth (1819 - 1899)
Das Dorf im Schnee

Still, wie unterm warmen Dach,
Liegt das Dorf im weißen Schnee;
In den Erlen schläft der Bach,
Unterm Eis der blanke Schnee.

Weiden steh´n im weißen Haar,
spiegeln sich in starrer Flut;
alles ruhig, kalt und klar
Wie der Tod, der ewig ruht.

Weit, so weit das Auge sieht,
keinen Ton vernimmt das Ohr.
Blau zum blauen Himmel zieht
Sacht der Rauch vom Schnee empor.

Möchte schlafen wie der Baum
Ohne Lust und ohne Schmerz;
Doch der Rauch zieht wie im Traum
Still nach Haus mein Herz.

Alexander Puschkin (1799 - 1837)
Gestern

Erst gestern war es, denkst du daran?
Es ging der Tag zur Neige.
Ein böser Schneesturm da begann
und brach die dürren Zweige.
Der Sturmwind blies die Sterne weg,
die Lichter, die wir lieben.
Vom Monde gar war nur ein Fleck,
ein gelber Schein geblieben.
Und jetzt? So schau doch nur hinaus:
Die Welt ertrinkt in Wonne.
Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.
Es strahlt und lacht die Sonne.
Wohin du siehst: Ganz puderweiß
geschmückt sind alle Felder.
Der Bach rauscht lustig unterm Eis,
nur finster stehn die Wälder.


Johann Ludwig Uhland (1787 - 1862)
Wintermorgen

Ein trüber Wintermorgen war`s,
als wollt` es gar nicht tagen,
Und eine dumpfe Glocke ward
Im Nebel angeschlagen.

Und als die dumpfe Glocke bald,
Die einzige verklungen,
Da ward ein heisres Grabeslied,
ein einz`ger Vers gesungen.

Es war ein armer, alter Mann,
Der lag gewankt am Stabe,
Trüb, klanglos, wie sein Lebensweg,
So war sein Weg zum Grabe.

Nun höret er in lichten Höhn
Der Engel Chöre singen
Und einen schönen, vollen Klang
Durch alle Welten schwingen.

Adolf Friedrich von Schack (1815 - 1894)
Am Kamin

Stürme, Dezember, vor meinem Gemach,
Hänge, Zapfen von Eis an das Dach;
Nichts doch weiß ich vom Froste;
Hier am wärmenden, trauten Kamin
Ist mir, als ob des Frühlings Grün
Rings um mich rankte und sprosste.

All das Gezweig, wie es flackert und flammt,
Plaudert vom Walde, dem es entstand,
Redet von seligen Tagen,
Als es, durchfächelt von Sommerluft,
Knospen und Blüten voll Glanz und Duft,
Grünende Blätter getragen.

Fernher hallenden Waldhornklang
Glaub´ ich zu hören, Drosselgesang,
Sprudelnder Quellen Schäumen,
Tropfenden Regen durchs Laubgeäst,
Der die brütenden Vögel im Nest
Weckt aus den Mittagsträumen.

Stürme denn, Winter, eisig und kalt!
An den Kamin herzaubert den Wald
Mit der Flammen Geknister,
Bis ich bei Frühlingssonnenschein
Wieder im goldgrün schimmernden Hain
Lausche dem Elfengeflüster.


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Winternacht

Wie ist so herrlich die Winternacht,
Es glänzt der Mond in voller Pracht
Mit den silbernen Sternen am Himmelszelt.
Es zieht der Frost durch Wald und Feld

Und überspinnet jedes Reis
Und alle Halme silberweiß.
Er hauchet über dem See und im Nu,
Noch eh` wir`s denken, friert er zu.

So hat der Winter auch unser gedacht
Und über Nacht uns Freude gebracht.
Nun wollen wir auch dem Winter nicht grollen
Und ihm auch Lieder des Dankens zollen.

Klabund (1890 - 1928)
Winterschlaf

Indem man sich nunmehr zum Winter wendet,
Hat es der Dichter schwer,
Der Sommer ist geendet,
Und eine Blume wächst nicht mehr.

Was soll man da besingen?
Die meisten Requisiten sind vereist.
Man muss schon in die eigene Seele dringen -
Jedoch, da haperts meist.
 
Man sitzt besorgt auf seinen Hintern,
Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch, -
Da hilft das eben nichts, da muss man eben überwintern
Wie Frosch und Lurch.


Franz Grillparzer (1791 - 1872)
Wintergedanken

Willst du, Seele, nicht mehr blühen,
Da vorbei des Sommers Flucht?
Oder wenn der Herbst erschienen,
Warum gibst du keine Frucht?

War vielleicht zu reich dein Blühen,
War zu bunt der Farben Licht?
Denn die Blüten geben Früchte,
Aber, ach, die Blumen nicht.

Martin Greif (1839 - 1911)
Winterlied der Meise

Wo auf winterlicher Flur
Noch kein Hälmchen zu erschauen,
Mahnt vom Walde her die Meise,
Auf die Sonne zu vertrauen,
Die für eine Weile nur
Uns entwandert auf der Reise.


Friedrich Wilhelm Güll (1812 - 1879)
Vom Büblein auf dem Eis

Gefroren hat es heuer
Noch gar kein festes Eis.
Das Büblein steht am Weiher
Und spricht so zu sich leis´:
„Ich will es einmal wagen,
Das Eis, es muss doch tragen.“ 
Wer weiß?
 
Das Büblein stampft und hacket
Mit seinem Stiefelein.
Das Eis auf einmal knacket,
Und krach! schon bricht’s hinein.
Das Büblein platscht und krabbelt
Als wie ein Krebs und zappelt
Mit Arm und Bein.
 
„O helft, ich muss versinken
In lauter Eis und Schnee!
O helft, ich muss ertrinken
Im tiefen, tiefen See!“
Wär nicht ein Mann gekommen,
Der sich ein Herz genommen,
O weh!
 
Der packt es bei dem Schopfe
Und zieht es dann heraus,
Vom Fuß bis zu dem Kopfe
Wie eine Wassermaus.
Das Büblein hat getropfet,
Der Vater hat’s geklopfet
Es aus, zu Haus.

Friedrich Rückert (1788 - 1866)
Wintergrüne Fichte

Wintergrüne Fichte,
Bricht dein schlankes Reis
Unter dem Gewichte
Nicht von Schnee und Eis?
In den kalten Tagen,
Was erhält so kühn
Dich, wo alle zagen,
Fichte wintergrün!

Wintergrüne Fichte,
Wenn in Sturmes Wehn
Winters Strafgerichte
Ob der Flur ergehn,
Wenn nicht Baum noch Pflanze
Grünen darf noch blühn,
Bleibest du im Kranze
Ficht wintergrün.

Wintergrüne Fichte,
Wovon lebest du?
Strömt vom Himmelslichte
Dir die Nahrung zu?
Unter Frostes Kloben
Starrt der Erde Glühn;
Doch du lebst von oben
Fichte wintergrün.

Wintergrüne Fichte,
Weil vom Himmelsduft
Du mit Weltverzichte
Lebest auf der Gruft,
Darum schmückt dein Schimmer,
Deiner Lichter Sprühn,
Weihnachtliche Zimmer,
Fichte Wintergrün.

Wintergrüne Fichte,
An der Statt wo ich
Mir dies Haus errichte,
Siehe, pflanz´ich dich:
Wo einst Ruh ich habe
Von des Lebens Mühn,
Schatte meinem Grabe,
Fichte wintergrün!

*Quelle: Gedichte für einen Wintertag / dtv Verlag


Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Zu Golde ward die Welt

Zu Golde ward die Welt;
Zu lange traf
Der Sonne süßer Strahl
Das Blatt, den Zweig.
Nun neig
Dich, Welt hinab
In Winterschlaf.

Bald sinkt's von droben dir
In flockigen Geweben
Verschleiernd zu -
Und bringt dir Ruh,
O Welt,
O dir, zu Gold geliebtes Leben,
Ruh.

Joseph von Eichendorff (1788 - 1857)
Der Vögel Abschied

Ade, ihr Felsenhallen,
Du schönes Waldrevier,
Die falben Blätter fallen,
Wir ziehen weit von hier.

Träumt fort im stillen Grunde!
Die Berg stehn auf der Wacht,
Die Sterne machen Runde
Die lange Winternacht.

Und ob sie all verglommen,
Die Täler und die Höhn –
Lenz muss doch wiederkommen
Und alles auferstehn!


Maria Luise Weissmann (1899 - 1929)
Jahres-Ende

Du greises Jahr: du eilst, dem Ziele zu
Rascher und rascher, sehnst dich nach der Ruh
In einem tiefen grenzenlosen Tod.
Doch sieh: ich eile schneller, nach dem Rot
Des neuen Morgens gierig, dir voraus.
O komm! Hinübergeh! Lösch aus, lösch aus!
Gezeichnetes, Beladenes, befleckt
Mit großer Müdigkeit, mit Schmerz bedeckt -
Vergeh - ich werde! Stirb - und ich vermag
Aufzuerstehn: o neuer, reinster Tag!

*Quelle: wortblume.de

Francisca Stoecklin (1894 - 1931)
Schnee

Schnee, zärtliches Grüßen
der Engel,
schwebe, sinke -
breit alles in Schweigen
und Vergessenheit!
Gibt es noch Böses,
wo Schnee liegt?
Verhüllt, verfernt er nicht
alles zu Nahe und Harte
mit seiner beschwichtigenden
Weichheit, und dämpft selbst
die Schritte des Lautesten
in Leise?
Schnee, zärtliches Grüßen
der Engel,
den Menschen, den Tieren! -
Weißeste Feier
der Abgeschiedenheit.


Robert Reinick (1805 - 1852)
Der Schneemann auf der Straße

Der Schneemann auf der Straße
trägt einen weißen Rock,
hat eine rote Nase
und einen dicken Stock.

Er rührt sich nicht vom Flecke,
auch wenn es stürmt und schneit.
Stumm steht er an der Ecke
zur kalten Winterszeit.

Doch tropft es von den Dächern
im ersten Sonnenschein,
da fängt er an zu laufen,
und niemand holt ihn ein.

Friedrich Wilhelm Weber (1813 - 1894)
In der Winternacht

Es wächst viel Brot in der Winternacht,
weil unter dem Schnee frisch grünet die Saat;
erst wenn im Lenze die Sonne lacht,
spürst du, was Gutes der Winter tat.

Und deucht die Welt dir öd und leer,
und sind die Tage dir rauh und schwer:
Sei still und habe des Wandels acht
es wächst viel Brot in der Winternacht.


Hedwig Lachmann (1865-1918)
Winterbild

In meinem Zimmer ein paar frische Blumen,
Die allen Wintermissmut mir vertreiben.
Ein Vöglein pickt vor meinem Fenster Krumen
Und guckt dabei zutraulich durch die Scheiben.

In Stroh und Bast die Bäume eingeschlagen,
Damit der strenge Frost sie nicht berühre,
Die Beete wohl verwahrt vor kalten Tagen
Und, bloßen Haupts, ein Bettler vor der Türe.

Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Winterlied

Mir träumt`, ich ruhte wieder
Vor meines Vaters Haus
Und schaute fröhlich nieder
Ins alte Tal hinaus,
Die Luft mit lindem Spielen
Ging durch das Frühlingslaub,
Und Blütenflocken fielen
Mir über Brust und Haupt.

Als ich erwacht, da schimmert
Der Mond vom Waldesrand,
Im falben Scheine flimmert
Um mich ein fremdes Land,
Und wie ich ringsher sehe:
Die Flocken waren Eis,
Die Gegend war vom Schnee,
Mein Haar vom Alter weiß.


Clara Müller-Jahnke (1860-1905)
Frost

Vom Meer heran braust schwirrend
ein schneidender Nordnordost,
durch öde Straßen klirrend
schreitet der scharfe Frost.

Im Schnee verloren die Pfade
und Tür und Tor verweht -
nur dass der Stern der Gnade
noch leuchtend am Himmel steht!

Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Stille Winterstraße

Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.

Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er's nicht etwas kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.

Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.

Hedwig Lachmann (1865-1918)
Im Schnee

Schneegeriesel. Flocken über Flocken.
In der weichen Luft zerfließt der Schaum,
Und kein Windhauch weht die Erde trocken.

Aber, wenn im Frost erstarrt der Flaum,
Reift er schnell zu glitzernden Kristallen
Und blinkt dann am Boden und am Baum.

Nasser Schnee ist auf mein Haar gefallen .
In den Bergen türmt er sich zu Eis
Und zu donnernden Lawinenballen.

Von den Dächern tropft es leise, leis,
Und dazwischen gleiten und verschwimmen
Fern und ferner, kaum dass ich es weiß,

Dämmernde Gedanken, leise Stimmen
Wie Erinnern, wie ein Atem bloß,
Einer Sehnsucht aufgescheuchtes Glimmen.

Alles fließt der Erde in den Schoss.
Dieses Lebens gleitende Gesichte,
Ungezählte Tropfen, Los um Los,

Einen Augenblick beglänzt vom Lichte -
Oder in der rauen Luft gereift,
Und nun auf der harten Erde dichte
Sternkristalle, bis ein Wind sie streift.


Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)
Flugzeug am Winterhimmel

Ich fliege im Flockengewimmel.
Ach, guter Himmel, laß das doch sein!
Ich Flugriese bin nur klein Vögelein
Gegen dich, schüttender Himmel.

Sag Schneegestöber, ich bäte es sehr,
Ein wenig nachzulassen.
Denn meine Flügel tragen schon schwer
An sechs ganz dicken Insassen.

Die spielen Karten in meinem Leib
Und trinken, weil sie so frieren.
Und wollen nach Zoppot, um Zeitvertreib
Und Örtliches zu studieren.

Und käme ich dort nicht pünktlich hin,
Die würden es niemals verzeihen.
Lieber Himmel, wenn ich gelandet bin,
Dann darfst du gern wieder schneien.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Der Eislauf

Der See ist zugefroren
Und hält schon seinen Mann.
Die Bahn ist wie ein Spiegel
Und glänzt uns freundlich an.

Das Wetter ist so heiter,
Die Sonne scheint so hell.
Wer will mit mir ins Freie?
Wer ist mein Mitgesell?

Da ist nicht viel zu fragen:
Wer mit will, macht sich auf.
Wir geh'n hinaus ins Freie,
Hinaus zum Schlittschuhlauf.

Was kümmert uns die Kälte?
Was kümmert uns der Schnee?
Wir wollen Schlittschuh laufen
Wohl auf dem blanken See.

Da sind wir ausgezogen
Zur Eisbahn alsobald,
Und haben uns am Ufer
Die Schlittschuh angeschnallt.

Das war ein lustig Leben
Im hellen Sonnenglanz!
Wir drehten uns und schwebten,
Als wär's ein Reigentanz.


Alexander Puschkin (1799 - 1837)
Ein winterliches Gedicht

Erst gestern war es, denkst du daran?
Es ging der Tag zur Neige.
Ein böser Schneesturm da begann
und brach die dürren Zweige.

Der Sturmwind blies die Sterne weg,
die Lichter, die wir lieben.
Vom Monde gar war nur ein Fleck,
ein gelber Schein geblieben.

Und jetzt? So schau doch nur hinaus:
Die Welt ertrinkt in Wonne.
Ein weißer Teppich liegt jetzt aus.
Es strahlt und lacht die Sonne.

Wohin du siehst: Ganz puderweiß
geschmückt sind alle Felder,
der Bach rauscht lustig unterm Eis.
Nur finster stehn die Wälder.

Hans Thoma (1839-1924)>
Ich komme aus der Ewigkeit

Ich komme aus der Ewigkeit.
Frühling war’s,
dann heiße Sommerzeit,
der Herbst bracht’ Frucht
und Blätterfall
und wilder Stürme Widerhall.

Nun ist der kalte Winternebel da,
verhüllt in eins, was fern und nah;
mich deckt das Schneetuch 
der Vergessenheit,
so fahr ich wieder in die Ewigkeit.


Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Morgensonne im Winter

Auf den eisbedeckten Scheiben
fängt im Morgensonnenlichte
Blum und Scholle an zu treiben...

Löst in diamantnen Tränen
ihren Frost und ihre Dichte,
rinnt herab in Perlensträhnen...

Herz, o Herz, nach langem Wähnen
lass auch deines Glücks Geschichte
diamantne Tränen schreiben!

Christian Morgenstern (1871-1914)
Der Seufzer

Ein Seufzer lief Schlittschuh auf nächtlichem Eis
und träumte von Liebe und Freude.
Es war an dem Stadtwall, und schneeweiß
glänzten die Stadtwallgebäude.

Der Seufzer dacht an ein Maidelein
und blieb erglühend stehen.
Da schmolz die Eisbahn unter ihm ein -
und er sank - und ward nimmer gesehen.


Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Der Winter

Wenn ungesehn und nun vorüber sind die Bilder
Der Jahreszeit, so kommt des Winters Dauer,
Das Feld ist leer, die Ansicht scheinet milder,
Und Stürme wehn umher und Regenschauer.

Als wie ein Ruhetat, so ist des Jahres Ende,
Wie einer Frage Ton, dass dieser sich vollende,
Alsdann erscheint des Frühlings neues Werden,
So glänzet die Natur mit ihrer Pracht auf Erden.

Johann Wilhelm Hey (1789 - 1854)
Katze im Schnee

"Kätzchen, wie hebst du die Pfötchen auf,
Siehst sogar zu ängstlich drauf,
Sinkst in den Schnee bis zum Halse bald,
Nicht wahr, da geht sich´s gar zu kalt?
Besser wär´es ja wohl getan,
Hättest du gute Stiefel an."

Freilich an Stiefeln war sie nicht reich,
Half sich doch, wie sie´s konnte, gleich,
Lief durch den Schnee in die Scheuer hinein,
Schüttelte, leckte die Pfötchen rein,
Hatte dann wieder gar frohen Lauf,
Stieg zu den höchsten Balken hinauf.

*Quelle: Gedichte für einen Wintertag / dtv Verlag


Nikolaus Lenau (1802 - 1850)
Winternacht

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte, wilde!
Dass einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!

Hedwig Lachmann (1865-1918)
Winter

Es treiben große Flocken dicht und schräg
Der Wald hält still, die Zweige hängen träg.

Der Wind, der um die Wipfel wehte, schweigt.
Die Kronen haben langsam sich geneigt.

Um eine hohe Tanne rieselt kalt
Der Schnee: Mein Haupt wie Eis! Bin ich schon alt?

Durch hundert Jahre ist es nicht so weit.
Ich steh schon immer in der Ewigkeit.

*Quelle: medienwerkstatt-online.de


Hedwig Lachmann (1865-1918)
Spät im Jahr

Der Herbst verflog. Der erste Nachtfrost kerbt
Die Felder, drauf die Spätfrucht abgeräumt,
Der Waldesboden ist kahl und entfärbt,
Der Wegrand rissig und mit Reif besäumt.

In klarer Luft fliegt hoch am Horizont
Die Krähe und entspannt die Flügel weit,
Die Welt ist nur von ferne noch besonnt,
Man spürt: es währt nicht lange, bis es schneit.

In einem Meer von grauen Nebeln rinnt
Der Tag ins Dunkel und lang wird die Nacht;
Es scheint, das Leben feiert oder sinnt,
Wie eine alte Mutter, die vollbracht

Ihr Tagwerk und nur noch der Kinder denkt,
Und einzig nur von ihrem Glücke zehrt,
In ihre fernste Zukunft sich versenkt,
Und die doch einsam ist und abgekehrt.

Justinus Kerner (1786-1862)
Im Winter

Als meine Freunde,
Die Bäume, noch blühten,
Rosen und Feuer-
Lilien glühten,
Waren die Menschen
All mir bekannt,
War mir die Erde
Lieb und verwandt.

Jetzt, wo die Freunde,
Die Bäume, gestorben,
Jetzt, wo die Lieben,
Die Blumen, verdorben,
Stehen die Menschen
Kalt auf dem Schnee,

Und was sie treiben,
Macht mir nur weh.


Börries Freiherr von Münchhausen (1874-1945)
Heller Morgen

Als ich schläfrig heut erwachte,
- und es war die Kirchenzeit –
hörte ich’s am Glockenschlage,
dass es über Nacht geschneit.

Als ich froh die Läden aufstieß,
trug die Welt ein weißes Kleid,
meine ganze Seele wurde
glänzend weiß und hell und weit.

Denn in meinem hellen Zimmer
klang so hell der Glockenschlag,
dass ich schon im Traume wusste:
heute wird ein heller Tag.

Christian Morgenstern (1871-1914)
Neuschnee

Flockenflaum zum ersten Mal zu prägen
mit des Schuhs geheimnisvoller Spur,
einen ersten schmalen Pfad zu schrägen
durch des Schneefelds jungfräuliche Flur -

Kindisch ist und köstlich solch Beginnen,
wenn der Wald dir um die Stirne rauscht
oder mit bestrahlten Gletscherzinnen
deine Seele leuchtende Grüße tauscht.


Cäsar Flaischlen (1864-1920)
Ganz still zuweilen wie ein Traum

Ganz still zuweilen wie ein Traum
klingt in dir auf ein fernes Lied...
Du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will...
und wie ein Traum ganz leis und still
verklingt es wieder, wie es kam...

Wie plötzlich mitten im Gewühl
der Straße, mitten oft im Winter
ein Hauch von Rosen dich umweht,
wie oder dann und wann ein Bild
aus längst vergessenen Kindertagen
mit fragenden Augen vor dir steht...

Ganz still und leise, wie ein Traum...
Du weißt nicht, wie es plötzlich kam,
du weißt nicht, was es von dir will,
und wie ein Traum ganz leis und still
verblasst es wieder, wie es kam.

Alfons Petzold (1882-1923)
Baum im Winter

Es steht ein Baum vor meinem Haus -
Armseligstruppiges Geäst
Hebt sich aus seinem Stamm heraus
Und hält ihn an das Leben fest.

Im Sommer hat die schnelle Faust
Des Blitzes seinen Stamm zersägt,
Und Sturmwind, der im Herbst gebraust,
Die letzte Kraft hinweggefegt.

Die andern Bäume stehen stark
Und kühn um diesen Krüppel her.
In ihnen singt gesundes Mark
Und macht ihr Dasein tatenschwer.

Doch wenn ein Ast im Winde bebt
An seinem Leibe, glaubt auch er,
Daß er noch für den Frühling lebt,
Wie seine Brüder ringsumher.


Adolf Holst (1867-1945)
Nein wer hätte das gedacht

Nein, wer hätte das gedacht
beim Zur-Schule-Gehn!
Heute morgen um halb acht
war noch nichts zu sehn.
Keine Flocke rings im Kreis -
jetzt ist alles zuckerweiß.
Wie das wirbelt, tanzt und sprüht!
Weiß ist jedes HJaus.
Unsre Schule selber sieht
wie ein Schneemann aus.
Jungens, Bälle nun gemacht!
Heute gibt's eine Schneeballschlacht!

Otto Baisch (1840-1892)
Wintermorgen im Hochgebirge

Wie wunderbar
Auf Bergespfaden im Januar!
Geheimnisvoll knistert, wohin ich geh',
Mir unter den Füßen der dichte Schnee,
Den nirgends, wie weit auch mein Weg mich führt,
Bisher ein menschlicher Schritt berührt.

Nichts weit und breit
Als weiße, schimmernde Einsamkeit;
Kaum dass verstohlen ein Reh einmal
Hinunter äugt ins verschneite Tal.
Wie weltfremd fühlt sich die Seele da —
Dem Leben so fern, dem Himmel so nah!


Ferdinand Avenarius (1856-1923)
Vom Kirschbaum

Ist alles ganz kahl und still,
Nicht mal im Grase sichs regen will,
Steht alles geduckt,
Klappert im Frost und muckt
Mit dem Winter. Der putzt es mit Rauhreif auf,
Aber keines gibt was drauf.

Doch im Garten
Sagt einer: Ich kann warten.
Ist jemand, du kennst ihn wieder kaum,
So dünn ist er worden: der Kirschenbaum.
Schläft er nicht?
Trau einer dem Wicht!
Heute mittag um Uhre eins
Gabs mal ein Pröbchen Sonnenscheins:
Darin – ich habe
Das deutlich gesehn –
Mit seinen Knospen
Fingerte der alte Knabe,
Ein wenig vorsichtig und geziert,
Wie man Badewasser probiert.
Und über seine Runzeln
Ging ein Schmunzeln.

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Das Wunder kommt

Schwarz ist die Nacht; es kracht das Eis;
Die ganze Welt ist eingeschneit;
Es steht kein Stern am Himmel,
Am Himmel.

Da sieh: es blitzt ein zitternd Licht,
Ein Stern blitzt aus dem Schwarz heraus,
Ein roter Stern von Golde,
Von Golde.

So hat dereinst der Stern geblitzt,
Nach dem die heiligen Drei gereist
Mit Weihrauch und mit Myrrhen,
Mit Myrrhen.

Den Heiland hat der Stern gebracht;
In dieser Nacht zerbrach das Eis;
Das Wunder kommt: Der Frühling,
Der Frühling.


Richard Dehmel (1863-1920)
Winterwärme

Mit brennenden Lippen,
unter eisblauem Himmel,
durch den glitzernden Morgen hin,
in meinem Garten,
hauch ich, kalte Sonne, dir ein Lied.

Alle Bäume scheinen zu blühen;
von den reifrauhen Zweigen
streift dein Frühwind
schimmernde Flöckchen nieder,
gleichsam Frühlingsblendwerk;
habe Dank!

An meiner Dachkante hängt
Eiszapfen neben Zapfen, starr,
die fangen zu schmelzen an,
Tropfen auf Tropfen blitzt,
jeder dem andern unvergleichlich,
mir ins Herz.

Gustav Falke (1853-1916)
Es schneit

Der erste Schnee, weich und dicht,
Die ersten wirbelnden Flocken.
Die Kinder drängen ihr Gesicht
Ans Fenster und frohlocken.

Da wird nun das letzte bisschen Grün
Leise, leise begraben.
Aber die jungen Wangen glühn,
Sie wollen den Winter haben.

Schlittenfahrt und Schellenklang
Und Schneebälle um die Ohren!
– Kinderglück, wo bist du? Lang,
Lang verschneit und erfroren.

Fallen die Flocken weich und dicht,
Stehen wir wohl erschrocken,
Aber die Kleinen begreifens nicht,
Glänzen vor Glück und frohlocken.


Cäsar Flaischlen (1864-1920)
Februarschnee

Februarschnee
tut nicht mehr weh,
denn der März ist in der Näh!
aber im März
hüte das Herz,
dass es zu früh nicht knospen will!
warte, warte und sei still!

Und wär der sonnigste Sonnenschein,
und wär es noch so grün auf Erden,
warte, warte und sei still:
es muss erst April gewesen sein,
bevor es Mai kann werden!

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Ein großer Teich war zugefroren

Ein großer Teich war zugefroren;
Die Fröschlein, in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken noch springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum:
Fänden sie nur da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zerschmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
Und quakten wie vor alter Zeit.


Martin Greif (1839-1911)
Winteranfang

Kommet ihr wieder,
Spinnende Nebel,
Füllend mit trübem
Wehen die Luft?

Wo sich geöffnet
Blume an Blume,
Liegt nun, errötend,
Schauernder Duft.

Ach, und ihm wehret
Kaum mehr die Sonne,
Wie es noch gestern
Sichtbar geschah.

Abend und Morgen
Scheinen im Dämmer
Nahe verwoben –
Winter ist da.

Martin Greif (1839-1911)
Winterbild

Damm und Graben überschneit,
Glatt der Strom gefroren,
Seine Ufer ziehen weit
In den Duft verloren.

Wiese und der Murmelbach
Such' ich heut' vergeblich,
Statt der Farben mannigfach
Alles weiß und neblich.

Gleich als käm' ich auf Besuch
Einem Freunde wieder,
Doch es deckt ein Leichentuch
Seine starren Glieder.


Martin Greif (1839-1911)
Wintertrost

Welche Wandlung über Nacht
Hat den Wald beschlichen,
Braun noch gestern, sieht erwacht
Er sein Haar verblichen.

Eis mit langen Zapfen hängt
Rings von allen Ästen,
Weiss der Silberbart sich mengt
Mit des Laubes Resten.

Wohl, Natur in solchem Bild
Mahnt sie an das Alter,
Wäre nicht der Winter mild
Auch ein Welterhalter.

Lasse dort die Eiche, grau,
Näher dich belehren:
Rieselt erst des Frühlings Tau,
Wird das Grün ihr kehren.

Wilhelm Müller (1794-1827)
Der stürmische Morgen

Wie hat der Sturm zerrissen
Des Himmels graues Kleid!
Die Wolkenfetzen flattern
Umher in mattem Streit,

Und rote Feuerflammen
Ziehn zwischen ihnen hin:
Das nenn ich einen Morgen
So recht nach meinem Sinn!

Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemalt sein eignes Bild –
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter kalt und mild!

Friedrich Güll (1812-1879)
Der erste Schnee

Ei, du liebe, liebe Zeit,
ei, wie hat's geschneit, geschneit!
Rings herum, wie ich mich dreh',
nichts als Schnee und lauter Schnee.
Wald und Wiesen, Hof und Hecken,
alles steckt in weißen Decken.

Und im Garten jeder Baum,
jedes Bäumchen voller Flaum!
Auf dem Sims, dem Blumenbrett
liegt er wie ein Federbett.
Auf den Dächern um und um
nichts als Baumwoll' rings herum.

Und der Schlot vom Nachbarhaus,
wie possierlich sieht er aus:
Hat ein weißes Müllerkäppchen,
hat ein weißes Müllerjöppchen!
Meint man nicht, wenn er so raucht,
daß er just sein Pfeifchen schmaucht?

Und im Hof der Pumpenstock
hat gar einen Zottelrock
und die ellenlange Nase
geht schier vor bis an die Straße.
Und gar draußen vor dem Haus!
Wär' nur erst die Schule aus!

Aber dann, wenn' s noch so stürmt,
wird ein Schneemann aufgetürmt,
dick und rund und rund und dick,
steht er da im Augenblick.
Auf dem Kopf als Hut 'nen Tiegel
und im Arm den langen Prügel
und die Füße tief im Schnee
und wir rings herum, juhe!

Ei, ihr lieben, lieben Leut',
was ist heut' das eine Freud'!


Börries Freiherr von Münchhausen (1874-1945)
Erster Schnee

Als ich schläfrig heut erwachte,
und es war die Kirchenzeit,
hörte ich's am Glockenklange,
dass es über Nacht geschneit.

Denn vor meinem hellen Fenster
klang so hell der Glockenschlag,
dass ich schon im Traume wusste:
heute wird ein heller Tag.

Und ich ging und stand am Fenster:
trug die Welt ein weisses Kleid,
und mir ward die ganze Seele
glänzend weiß und hell und weit.

Friedrich Rückert (1788-1866)
Schneeglöckchen

Der Schnee, der gestern noch in Flöckchen
Vom Himmel fiel
Hängt nun geronnen heut als Glöckchen
Am zarten Stiel.
Schneeglöckchen läutet, was bedeutet's
Im stillen Hain?

O komm geschwind! Im Haine läutet's
Den Frühling ein.
O kommt, ihr Blätter, Blüt' und Blume,
Die ihr noch träumt,
All zu des Frühlings Heiligtume!
Kommt ungesäumt!


Franz Werfel (1890-1945)
Der Schneefall

O langsames Fallen des Schnees,
Unendliches schleierndes Treiben!
Wär' doch mein Auge geistesgestählt,
Ihm könnte verborgen nicht bleiben,
Daß jede Flocke des weißen Gewehs
Gewußt ist, gewogen, gezählt.

O Flocken, die tanzend sich drehn,
Ihr klein beseelten Persönlichkeiten,
Vertragen von Schwere, Leichte und Wind,
In eurem Kommen und gehen
Seh ich die Schicksale niedergleiten,
Die ihr beginnt, vollendet, beginnt ...

Die eine fällt wollig und weich,
Die andre voll Trotz und kristallen,
Die dritte von Widerständen geballt.
Doch löst sich morgen das bleiche Reich,
So stirbt nicht eine von allen
Und die reinsten tauen zur Tropfengestalt.

Maria Luise Weissmann (1899-1929)
Schnee

Träne des Himmels: der Regen fiel
Tödlich wie Schwermut fällt
Auf das geliebte zerbrochene Spiel
Auf die verwesende Welt.

Herbst schon rollte sie schwelgend hinab,
Purpurner Untergang,
Sanft nun wiegt sie zu Grab
Eigener Wehmut Gesang.

Da: im silbernen Blitz der Fröste
Sieh, Erstarrung fällt,
Selige Form; es tanzt im Kristall die erlöste
Tanzt die gerettete Welt.


Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)
Wintertag

Über schneebedeckter Erde
Blaut der Himmel, haucht der Föhn –
Ewig jung ist nur die Sonne!
Sie allein ist ewig schön!

Heute steigt sie spät am Himmel,
Und am Himmel sinkt sie bald
– Wie das Glück und wie die Liebe –
Hinter dem entlaubten Wald.

Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)
Farben

So blau liegt es über dem schneeweißen Schnee
und so schwarz sind die grünen Tannen,
daß das ganz leise hinhuschende Reh
so grau ist wie nie beendbares Weh,
das man doch so gern möchte bannen.

Schritte knirschen in Schneemusik
und Winde stäuben die Flocken zurück
auf die weiß überschleierten Bäume.
Und Bänke stehen wie Träume.

Lichter fallen und spielen mit Schatten
unendliche Ringelreihen.
Die fernen Laternen blinken mit mattem
Schein, den vom Schneelicht sie leihen.


Adolf Holst (1867-1945)
Der erste Schnee

Nein, wer hätte das gedacht
beim Zur-Schule-Gehn!
Heute morgen um halb acht
war noch nichts zu sehn.
Keine Flocke rings im Kreis
jetzt ist alles zuckerweiss.

Wie das wirbelt, tanzt und sprüht!
Weiss ist jedes Haus.
Unsre Schule selber sieht
wie ein Schneemann aus.
Kinder, Bälle nun gemacht!
Heut gibt's eine Schneeballschlacht!

Adolf Holst (1867-1945)
Im Wintergarten

Hinten im Garten, o lustige Pracht,
haben wir uns einen Schneemann gemacht;
hat eine Kappe bis über die Ohren,
und seine Nase ist knallrot gefroren;
hat keine Beine und hat keinen Arm,
aber er lacht, denn sein Schneepelz hält warm.

Weiss ist der Garten, wohin ich auch seh.
Winter, willkommen mit Eis und mit Schnee!
Vöglein, ihr kleinen, auch ihr sollt euch freuen,
Körner und Krumen woll'n wir euch streuen.
Schneit's auch noch toller um Hecken und Höhn,
heissa-juchhe, auch der Winter ist schön!


August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Winters Flucht

Dem Winter ward der Tag zu lang,
ihn schreckt der Vogel Lustgesang;
Er horcht und hört's mit Gram und Neid,
Und was er sieht, das macht ihm Leid.

Er sieht der Sonne milden Schein,
Sein eigner Schatten macht ihm Pein.
Er wandelt über grüne Saat
Und Gras und Keime früh und sprach:
»Wo ist mein silberweißes Kleid,
Mein Hut, mit Demantstaub bestreut?«

Er schämt sich wie ein Bettelmann
Und läuft, was er nur laufen kann.
Und hinterdrein scherzt Jung und Alt
In Luft und Wasser, Feld und Wald;
Der Kiebitz schreit, die Biene summt,
Der Kuckuck ruft, der Käfer brummt;
Doch weil's noch fehlt an Spott und Hohn,
So quakt der Frosch vor Ostern schon.

Guido Görres (1805-1852)
Nun treiben wir den Winter aus

Nun treiben wir den Winter aus,
Den alten, kalten Krächzer;
Wir jagen ihn zum Land hinaus,
Den Brummbär und den Ächzer,
Und laden uns den Frühling ein
Mit Blumen und mit Sonnenschein,
Juhei! juhei, juhei!
O komm herbei!
O Mai, o Mai!

Das leere Stroh,
Das dürre Reis
Und alles, was vermodert,
Das geben wir dem Feuer preis,
Dass hoch die Flamme lodert,
Und laden uns den Frühling ein
Mit Blumen und mit Sonnenschein;
Juhei! juhei, juhei!
O komm herbei!
O Mai, o Mai!


Leopold Weber (1866-1944)
Winterfrühling

Der Winter strahlt. Die Sonne rollt
Einsam durchs Blau ihr klares Gold.

Einöd im Tal. Es tropft und taut
Vom Hüttenbach in leisem Laut.

Am Berghang glänzt der Schnee so rein,
Dort schläft der Wind im Sonnenschein.

Ein Birkenbaum, allein und kahl,
Die Hängezweige hebt im Strahl.

Er blinzt ins blaue Gotteslicht,
Das brennt ihm überm Wipfel dicht.

Ein Meislein hüpft ganz sacht im Baum,
Ein Seelchen zirpt – du hörst es kaum.

Konrad Weiß (1880-1940)
Februar

Unregsam, wie der Wind umgeht,
ein magrer Baum im frühen Beet,

so lichtgetrocknet unbeirrt,
daß sich daran ein Blick verwirrt,

ein Auge, starr in eins gesinnt,
die Sonne dreht sich um den Wind,

das Feld wird in die Runde bloß
und dunkelt vor dem Auge groß,

das faltet sich zu ernstem Schlag
und waltet mächtig in den Tag

und hürdet in sich alle Last,
geschlichtet ohne Willen fast.


Konrad Weiß (1880-1940)
Eines Morgens Schnee

Was man gelebt, was immer mehr geblieben,
stets mehr gelesen, um so dunkler nur,
was man im Lichte schon wie aufgeschrieben
vorfand und ging auf unstörbarer Spur,
was man mit Sinn erreicht, was man mit Lieben
doch nie vollbringen konnte, – deine Flur
wird dir, du Mensch von Ernte niemals satt,
mit eines Morgens Schnee ein reinstes Blatt.

Es ist kein Trost; und nun der Sonne Scheinen
teilt alles nur noch weiter vor dir aus,
so spurlos steht die Zeit, du willst sie einen
gleich einer Träne dort am letzten Strauß,
du horchst auf einen Laut, nun hörst du keinen,
der Schnee macht nur ein regungsloses Haus, –
geh fort, und wie es dir im Busen klopft,
fühlst du den Schnee, der kalt vom Baume tropft.

Du fühlst nicht Nähe mehr, nur noch dies Pochen,
das dir die kalte Wange seltsam näßt,
das Land scheint dir so weit und ganz zerbrochen,
die weißen Berge gleich dem schweren Rest
von einem Himmel, den du nie besprochen,
und der, je mehr du sprichst, dich werden läßt
gleich einer Spur, die sich aus ihm verlor,
und die du kennst, wenn dir im Herzen fror.

So geh nun fort, und was umsonst bestritten
du Tag und Nacht, was schon im Licht verdorrt,
was du gelebt, was du dir selbst inmitten
gelöst, du Mensch, im stets zerbrochnen Wort,
auf dunkler Spur mit unhörbaren Schritten
gewinnt die Zeit ihr Licht, geh mit ihr fort,
noch blüht zur stillen Nacht die Spur so frisch
wie alle Ernte auf dem Ladentisch.

Johann Nepomuk Vogl (1802-1866)
Das erste Weiß

Wie plötzlich doch bedeckt mit Eis
So Strauch als Bäume steh'n,
Auf letztem Grün das erste Weiß,
Wie traurig ists zu sehn!

Was bangst du, Herz? Sei frisch und kühn
Und denk, wenn Flocken wehn:
Auf letztem Weiß das erste Grün,
Wie lieblich wird das stehn!


*Quelle: www.mumag.de

Richard O. Koppin (1879-1939)
Winterabend

Schneeluft hängt in allen Gassen,
bleiche Dämmerfinger fassen
nach den flackernden Laternen,
die schon müde ihre blassen
Strahlen senden in die Fernen.

Dichter an den Kirchturm rücken
Stadttor schon und Bachtalbrücken,
und die trauten Giebeldächer,
draus mit weichen Kerzenblicken
grüßen rings die Schlafgemächer.

Und am Markt der alte Bronnen,
schneeverhängt und still versonnen,
träumt von lichten Frühlingszeiten,
wie er dann durch Blütenwonnen
plätschernd würde talwärts gleiten.


Richard O. Koppin (1879-1939)
November

Still träumen alle Gassen,
die Tage schnell entfliehn,
die Gärten stehn verlassen,
und langsam nur die blassen
Novembernebel ziehn.

Die trauten Bronnen schweigen,
längst schwand ihr Plätscherspiel.
Nur die Kastanien neigen
sich mit entlaubten Zweigen
zur Erde, feucht und kühl.

Gleich einem müden Greise,
fern über Stadt und Land,
summt fromme Orgelweise
der alte Kirchturm leise,
Adventzeit-zugewandt.

Johannes Schlaf (1832-1941)
Winter

Der schönste Cherub kommt.
Mit weitweißen,
Sanften Schwingen
Schimmert er durchs Dunkel;
Kalt, starr und grausig
Und süß wie der Wille Gottes,
Heimatliederumraunt.

*Quelle: „Vom Reichtum der deutschen Seele" –
Hrsg. Georg Virnsberg

 

Wilhelm Holzamer (1871-1907)
Dezembermorgen

Am Fenster steh ich. — Eine Ecke des Himmels,
Mattblau wie Seide,
Mit zarten, weißen, glänzenden Flocken
Hebt sich wie ein Baldachin
Über das Dunkel waldiger Berge.

Und wie von verborgenem Lichte
Breitet sich strahlende Helle,
Glänzig werden die Flocken,
Wie frischer Eierschaum,
Wie schillernde Opale.

Und ich ahne, die Sonne kommt,
Und schaue,
Bis mich ein Strahl trifft,
Ein siegender, leuchtender, warmer Strahl
Ich schaue und schaue . . .

Fern, weit fern
Fliegt unter dem Himmel ein Rabe,
Und mir ist,
Als hör ich sein höhnendes Krächzen.
Aber ich schaue und schaue
Und wart auf die Sonne.- -

Die schaumigen Flocken fliegen zusammen,
Es ballt sich ein grauer Haufen,
Und der graue Haufen
Verschüttet die blaue Seide... 
Und —
Ich schaue und schaue
Und wart auf die Sonne ...


Albert Sergel (1876-1946)
Dämmerstunde

Der Winter zieht die Nebelschleier
Ganz dicht vor deinem Fenster zu;
Im Ofen brennt ein kleines Feuer,
Kein Fremdes tritt in deine Ruh.

Das ist die Zeit, da deine Seele
Nicht sorgt, was aus der großen Welt
Sich ihrer Einsamkeit vermähle,
Und Einkehr in sich selber hält.

*Quelle: Vom Reichtum der deutschen Seele -
Hrsg. Georg Virnsberg

Sigmund Schott (1818-1895)
Im Schnee

Arme Maise, die im Wald
Hungrig untersucht die schwanken,
Eingeschneiten Brombeerranken,
Eile, denn es dunkelt bald.

Wen'ge Tropfen, warm und rot,
Dicht von Federchen umgeben,
Kämpfen, letzter Hauch von Leben,
Und des Daseins grimme Not.

Sei dem Herzen das ein Trost:
Ob so Vieles gieng zu Grunde,
Eine schwache Frühlingskunde
Fliegt lebendig durch den Frost.

Heinrich Federer (1866-1928)
Schneemann (Satire)

Er ist ein heller sicherer Mann,
Nur fehlen die Augensterne,
Womit er das Leben mustern kann,
Wie es gaukelt von nahe und ferne.
Sonst sähe keiner so tief und fein
In die Siebensachen der Welt hinein.

Er ist ein frischer, verwegener Mann,
Nur kann er die Arme nicht rühren,
Doch wenn er nur einen recken kann,
So krachen des Dörfleins Türen,
So trägt er den Kirchturm mit allen Glocken,
Und dürfen noch Pfaff und Küster drauf hocken.

Und lustig ist er, voll Lied und Spaß,
Doch leider taubstumm geboren.
Sonst, weit' ich, er hörte und plauderte bass
Wie tausend Lippen und Ohren.
Er schilderte euch so drollige Sachen,
Die totesten Toten müssten lachen.

Auch wär' er ein rühmlicher Wanderheld,
Wenn die Füße nicht steifgefroren,
Er wandelte, wie wir auf Nachbars Feld,
Zu den Eskimos oder den Mohren.
Er überholte die hurtigsten Pferde,
Zwei Schritte, er wäre am Rand der Erde.

Meines Schneemanns stille Majestät,
Wenn sie nur einmal wollte,
Was sich so faul am Globus dreht,
Hei, wie das tollte und trollte!
Doch solche Genies kann die Welt nicht ertragen,
Drum bleibt er Genie im Schnee und Entsagen.


Julie Katharina von Hausmann (1826-1901)
Der erste Schnee

Wenn die ersten Flocken fallen
Nieder von dem Himmel leis',
Breitend über Wald und Felder
Eine Decke silberweiß —

Glänzen alle Kinderaugen,
Denn nun ist der Winter da;
Und sie wissen's wohl, die Kleinen,
Dann ist's Christkindlein auch nah'

Christkind mit den schönen Gaben
Und dem hellen Weihnachtsbaum,
Den sie seit dem letzten Feste
Oft geseh'n in süßem Traum.

Wir, die Alten, Klugen, denken
Jagend an die Winterzeit —
Kinder singen Weihnachtslieder,
Wissen nichts von Sorg' und Leid.

Und ich will's euch nur gestehen,
Auch ich freu' mich wie ein Kind,
Da ich schon so manchen Streifen
Schnee auf meinem Haupte find',

Zwar der Schnee bringt nur den Winter,
Doch ich bang und zage nicht,
Schau dahinter schon im Geiste
Ein hellstrahlend Weihnachtslicht;

Höre leise schon erklingen
Weihnachtsglocken wunderbar,
Die zum schönsten Fest mich rufen
Und zum sel'gen neuen Jahr.

Betty Paoli (1814-1894)
Wintertraum

Der finst're König Frost hält mich gefangen,
Ich trage seiner Fesseln starres Erz,
Bleich wie sein Leichentuch sind meine Wangen,
Des Todes Ahnung schauert durch mein Herz,
Und wie des Blaubarts Weib in grauser Stunde
Verzweifelnd forschte nach der Rettungskunde
So frag' ich, gramentstellten Angesichts,
Mein spähend Aug': Siehst du noch nichts? noch nichts?
 
Noch keine jungen Triebe an den Bäumen,
Noch keinen Sonnenpfeil, der fliegt und trifft,
Noch keinen Purpur an den Wolkensäumen,
Noch keine fromme Primel auf der Trift?
Noch nichts, was des Befreiers Nah'n verkündet,
Ein zagend Herz mit neuem Muth entzündet?
Noch keinen Schimmer wärmern, reinern Lichts?
Mein treues Aug'! siehst du noch nichts? noch nichts?
 
Schon holt der finst're König aus zum Streiche -
O Retter Lenz! sieh' her auf meine Qual!
Willst du denn erst auf meine starre Leiche
Herniedergießen deinen milden Strahl?
Dies Herz, das heiß entgegen dir geschlagen,
Dein schönes Bild so treu in sich getragen,
In wilder Sehnsucht dunklem Jammer bricht's -
Unselig Aug': siehst du noch nichts? - »Noch nichts!«


Luise Otto (1819-1895)
Blumengeister

Nun ist im Sturm mit Schnee und Eis
Der Winter angekommen,
Hat auf tyrannisches Geheiß
Die Blüten all genommen.
 
Sie sind dahin mit einem mal
Und hängen welk hernieder,
Es weckt kein milder Sonnenstrahl
Die Frostgetroffnen wieder.
 
Ihr Glanz, ihr Duft, ihr Leben schwand
Und öd' sind Flur und Garten,
Zur weißen Wüste ward das Land,
Die Flüsse selbst erstarrten.
 
So sinken in die kalte Gruft
Die letzten Blumenleichen,
Und harren bis der Lenz sie ruft
Aus ihrem Grab zu steigen.
 
Doch kann der Blumengeister Schar
Wohl nächtlich um noch gehen -
In kalter Mondnacht, hell und klar
Sind sie gar oft zu sehen.
 
Sie kommen aus dem Grab hervor
Wie neckende Gespenster,
Und blühen - ein krystall'ner Flor -
An dem gefrornen Fenster.
 
Und rufen die Erinnrung wach
An alle Sommerstunden,
Wo Menschenhand die Blümlein brach
Und sie zum Kranz gewunden -
 
Wo Menschenfuß sie gar zertrat,
Nicht achtend auf ihr Flehen -
Es läßt zu rächen solche That,
Die Geisterschar sich sehen.
 
Und mahnt mit glänzend heller Schrift:
»Dein eignes Thun bewache,
Damit dich nicht im Winter trifft
Der Blumengeister Rache!«

Elisabeth Kulmann (1808-1825)
Die Wintersonne an die Südländer

Hängt länger euch, o Kinder,
Nicht an mein goldnes Kleid!
Hab' ja noch andre Kinder
Im Norden, weit, weit, weit!

In ihrem grimmen Winter
Bin ich ihr einz'ger Trost:
Komm' ich nicht auf ein Stündchen,
Sie sterben mir vor Frost.

Auf dumpfer Hütten Schwelle,
Um die ein Eiswall ragt,
Erwarten ungeduldig
Sie mich, sobald es tagt.

Sie grüßen lautaufjauchzend
Mit Schmeichelnamen mich,
Und weinen fast, entfernet
Mein goldner Wagen sich.

Elisabeth Kulmann (1808-1825)
An meine Gartenblumen

Schlaft, liebe Blumen, schlafet,
Mit weichem Schnee bedeckt,
Bis euch des neuen Lenzes
Gelinder Odem weckt!
 
Jetzt herrscht im Land der Winter:
Er selbst ein lieber Mann;
Doch seine Stürme schnaubten
Euch, Blumen, unsanft an.
 
Drum, liebe Blumen, schlafet,
Mit weichem Schnee bedeckt,
Bis euch des jungen Lenzes
Gelinder Odem weckt!


Johannes Brassel 1848 - 1916
Wintergedanken

Wie Erde träumt. Des Winters kalte Lasten
Sie liegen schwer auf dem Gezweig der Tannen;
Des Baches Lauf will eisger Rauhreif bannen;
In Flur und Hain des Lebens Pulse rasten.

Und doch schaut Hoffnungsgrün aus Tannenmasten,
Als wollt' es flüsternd deine Seele fragen:
Hast du, o Mensch, wie ich das Leid getragen,
Wenn wild des Schicksals Stürme dich umrasten?

Hat Hoffnung dir gesagt in dunkeln Stunden,
Es werd die Zeit, die allbarmherz'ge heilen
Mit mildem Hauch des Herzens herbste Wunden?

Grüß mir die Hoffnung! Ihre Strahlen spenden
Den Glauben mir im raschen Zeiteneilen,
Es müsse alles sich zum Guten wenden.

Johannes Brassel 1848 - 1916
Der erste Schnee

's ist kalt geworden, trüb und still;
Der erste Schnee zur Erde fiel;
Mit seiner Hand, so weich und lind,
Deckt er das letzte Blumenkind.
O Schicksal, so winterlich herbe und trübe
Was deckst du die Blumen der hoffenden Liebe?
Was soll in des Lebens wild stürmender See
Ein Herz voll Weh?

Der erste Schnee! 's kommt eine Stund',
Da wird das kranke Herz gesund.
Das Leid laß' schlafen wie die Saat,
Die Flockenflaum bedecket hat.
Die Sternlein, die fielen auf rosigen Wangen,
Sie alle sind leise und schmerzlos zergangen,
Und so einst zergeht deines Herzens Weh
Wie erster Schnee.

Ja, laß es schlafen wie die Saat;
Nach Eis und Schnee der Frühling naht.
Sein milder Hauch aus starrer Gruft
Den Primeln und den Veilchen ruft.
So hoffe denn, bangendes Herz, und vertraue,
Daß über den Wolken der Himmel doch blaue,
Und sag' zu dem Flockengewimmel in Ruh':
Deck' zu, deck' zu!

Johannes Brassel 1848 - 1916
Winterbild

In stillem Schlummer ruht die Erde,
Gehüllt in zarten, kalten Flaum,
Und über Dorf und Wald und Matten
Legt sich ein winterlicher Traum.

Der Vöglein Brust, die sonst gesungen
Im Wald mit sorgenfreiem Klang,
Entringt sich jetzt vor unserm Fenster
Ein bittend Seufzen, leis und bang.

Doch drinnen am erwärmten Ofen
Großmutter sich behaglich freut,
Ob auch der Winter weiße Flocken
Ihr längst aufs müde Haupt gestreut.

Indessen sie das Bild des Todes
Im stillen Ruh'n der Welt erblickt,
Hat sie der Enkel froh Gejauchze
Der trüben Wirklichkeit entrückt.

Sie fahren, wie sie einst gefahren
Auf breitem Schlitten, sonder Graus,
Mit jugendfröhlichem Gejauchze
In die verschneite Welt hinaus.

Und aus dem Treiben ihrer Kleinen
Glänzt ihres Lebens Morgenrot;
Glückselig flüstert sie durchs Fenster:
Wo Kinder sind, da herrscht kein Tod!

Johannes Trojan 1837 - 1915
Winterstille

Nun hat der Berg sein Schneekleid angetan,
Und Schnee liegt lastend auf den Tannenbäumen
Und deckt die Felder zu, ein weißer Plan,
Darunter still die jungen Saaten träumen.

Fried' in der Weite! Nicht ein Laut erklingt —
Ein Zweig nur bebt und stäubt Kristalle nieder,
Gestreift vom Vogel, der empor sich schwingt —
Und still ist alles rings und reglos wieder.

In Winters Banden liegt der See und ruht,
Die Wellen schlafen, die einst lockend riefen.
Nicht spielen mehr die Winde mit der Flut,
Kaum regt sich Leben noch in ihren Tiefen.

O Sonne, wenn durch Wolken du einmal
Hernieder blickst — wo blieb der Erde Prangen?
Schlafende Augen nur erblickt dein Strahl,
Er weckt kein Hoffen auf und kein Verlangen.

Welch‘ eine Stille! Kaum im Herzen mag
Ein Wunsch sich regen, daß es anders werde.
Und doch, o Herz, du weißt, es kommt der Tag,
Der wieder schmückt mit blühndem Kranz die Erde.

Reinhold Fuchs 1858 - 1938
Winternacht

Die Sterne glitzern wie Demantgeschmeide,
Klar, wie du kaum im Leben sie gesehen,
Doch fremd und kalt; des Weltalls Schauer wehen
Dir um die Stirn auf totenstiller Heide.

Die Schöpfung starrt im weißen Sterbekleide
Dich fühllos an, taub für dein Liebesflehen,
Und du vergißt, als war' es nie geschehen,
Was je die Menschen dir gethan zu leide. —

Fremd, fremd und einsam in der öden Runde! —
Gleich einem Bettlermantel fühlst mit Bangen
Den Stolz du gleiten zum bereiften Grunde.
Macht, Weisheit, Ruhm: — was soll ihr eitles Prangen? —

Ein freundlich Wort aus warmem Menschenmunde,
Ein Druck der Hand sind einzig dein Verlangen ...

Reinhold Fuchs 1858 - 1938
November

Hörst du, wie die Winde klagen
In dem Dornbusch kahl und grau? —
Keiner ahnt, daß er getragen
Rote Rosen einst zur Schau.

In den Feldern, in den Hainen
Stumm ein jeder frohe Klang;
Wie ein schmerzlich-leises Weinen
Schleicht es deinen Pfad entlang.

Halbverschollne Trauerkunden
Hallen aus der Ferne her;
Längst verrauschte Scheidestunden
Machen neu das Herz dir schwer.

Blätter fallen, Wolken schweben;
Nebel schwankt um Busch und Baum; -
Träume werden dir zum Leben,
Und das Leben wird zum Traum ...

Frieda Jung 1865 - 1929
Raureif

Heut' ist ein Glanz auf Erden,
Wie ich ihn nimmer sah.
In blitzender Silberseide
Stehn Busch und Bäume da.

Der Tag hat tausend Sterne
Gestreut in den weißen Schnee.
Wo ich geh' und steh',
Glitzert es, nah und ferne.

Auf allen Wegen und Gassen
Fließt goldner Sonnenschein:
Hat wohl ein Engelein
Die Himmelstür offen gelassen!

*Quelle: gedichte.xbib.de

Frieda Jung 1865 - 1929
Wintermärchen

Nun ist kein Busch, kein Baum im Land,
Nicht Haus und Zaun und Stein — :
Frau Holle hüllt' alles mit leiser Hand
In schimmernde Mäntel ein,
In weiße Kapuzen mit Fransen und Band
Und Schleier silberschwer!
Man denkt, man ist im Märchenland,
Und kennt sich selbst nicht mehr!

Frieda Jung 1865 - 1929
Im Schnee

Das ist's, was ich am liebsten seh':
Mein Heimatdorf im tiefen Schnee!
Lichtweiße Flocken auf Baum und Strauch!
Über den Dächern bläulicher Rauch!
Und in den niedern Fensterreihn
Der letzte rote Abendschein!
Dann wandl' ich über das weiße Feld
Und glaube nicht an die Sünde der Welt!

Wilhelm Jensen 1837 - 1911
Winteranfang

Die Wolken treiben dunkel und schwer,
Ein letztes Verdämmern, und bald nichts mehr.
Ich schreit’ im herbstlichen Feld einher,
Ein letztes Verwelken, und bald nichts mehr.

Die Welt ist einsam, die Zukunft leer,
Ein letztes Gedenken, und bald nichts mehr.
Ein Stein, wo ein Herz geschlagen, umher
Verwilderndes Unkraut, und dann nichts mehr.